Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an den US-Amerikaner John Hopfield und den kanadischen Forscher Geoffrey Hinton, die eine Basis für heutige Systeme Künstlicher Intelligenz schufen. Den Forschern seien entscheidende Erfindungen gelungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichten, teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. «Das maschinelle Lernen auf der Grundlage künstlicher neuronaler Netze revolutioniert derzeit die Wissenschaft, die Technik und das tägliche Leben.» Maschinelles Lernen wird der Akademie zufolge seit langem in Bereichen eingesetzt, die aus früheren Nobelpreisen für Physik bekannt sind - etwa, um die riesigen Datenmengen zu sichten und zu verarbeiten, die für die Entdeckung des Higgs-Teilchens erforderlich waren. Die frühen Modelle von Hopfield (91) und Hinton (76) legten auch wichtige Grundlagen für moderne KI-Chatbot-Systeme wie ChatGPT und Perplexity. Die Technologie wurde ursprünglich von der Struktur des Gehirns inspiriert. In einem künstlichen neuronalen Netz werden die Neuronen des Gehirns durch Knoten dargestellt, die sich gegenseitig durch mit Synapsen im Gehirn vergleichbaren Verbindungen beeinflussen. Das Netzwerk wird trainiert, indem zum Beispiel stärkere Verbindungen zwischen bestimmten Knoten aufgebaut werden. John Hopfield entwickelte ein nach ihm benanntes Netzwerk, das eine Methode zum Speichern und Wiederherstellen von Mustern verwendet. Der in Großbritannien geborene Hinton verwendete dieses als Grundlage für ein weiteres Netzwerk: die Boltzmann-Maschine. Diese kann lernen, charakteristische Elemente in einer bestimmten Art von Daten - etwa bestimmte Elemente in Bildern - zu erkennen. Forschung und Entwicklung in diesem Bereich sind in den vergangenen Jahren rasant vorangeschritten. Moderne Systeme basieren auf komplexeren Architekturen und können mit enormen Datenmengen umgehen. «Die Arbeit der Preisträger ist bereits von größtem Nutzen. In der Physik verwenden wir künstliche neuronale Netze in einer Vielzahl von Bereichen, beispielsweise bei der Entwicklung neuer Materialien mit spezifischen Eigenschaften», sagte Ellen Moons, Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik. Auch bei der Messung von Gravitationswellen, kollidierenden Schwarzen Löchern oder der Suche nach Exoplaneten kommen solche Systeme zum Einsatz. Eigenschaften von Molekülen und Materialien werden vorausberechnet - etwa um zu bestimmen, welche Materialien besonders günstige Eigenschaften für die Verwendung in effizienteren Solarzellen haben könnten. Neben immer neuen und erweiterten Anwendungsbereichen für maschinelles Lernen gibt es aber auch Diskussionen über ethischen Fragen zur Nutzung solcher Technologien. Hinton selbst kündigte im Jahr 2023 seinen Job bei Google Brain, dem KI-Forschungsteam des Unternehmens, um frei über die Risiken von KI sprechen zu können. Er veröffentlichte zusammen mit anderen führenden KI-Forschern mehrere Stellungnahmen zu dem Thema. Demnach sehen sie in KI eine potenzielle Gefahr für die Menschheit und rufen dazu auf, die Risiken ernst zu nehmen. Hinton wurde in London geboren und studierte an der Universität Cambridge - zunächst unter anderem Philosophie und Physik, ehe er zu experimenteller Psychologie wechselte. Seine Doktorarbeit schrieb er in im Jahr 1978 bereits über KI. Später zog er in die USA, wo er Grundlagen neuronaler Netzwerke erforschte. Weil ein Großteil der KI-Forschung in den USA damals vom Militär finanziert wurde und er den Einsatz der Technik im Kampf ablehnte, ging er 1987 nach Kanada. Hopfield stammt aus Chicago. Er studierte Physik und arbeitete in Laboren, ehe er Anfang der 1960er Jahre zunächst an die University of California in Berkeley und dann an die Princeton University wechselte. Über zahlreiche Stationen, etwa bei der US-Weltraumbehörde Nasa und in einem wissenschaftlichen Beratungsgremium des US-Präsidenten, kehrte er 1997 nach Princeton zurück. Dort, wo er einst Professor für Physik war, ist er heute Professor für Molekularbiologie. «Was mich immer noch am meisten fasziniert, ist die Frage, wie der Geist aus der Maschine kommt», erzählte Hopfield in einem Interview mit dem Wissenschaftsmuseum Franklin Institute. Deswegen beschäftige er sich in seiner Forschung mit dem Gedächtnis. Die bedeutendste Auszeichnung für Physiker ist in diesem Jahr mit insgesamt elf Millionen Kronen (knapp 970.000 Euro) dotiert. Seit der ersten Preisvergabe im Jahr 1901 sind bislang 224 unterschiedliche Physik-Nobelpreisträger gekürt worden, darunter nur fünf Frauen. Ein Wissenschaftler, der US-Amerikaner John Bardeen, erhielt ihn zweimal. Bereits am Montag waren die Nobelpreisträger für Medizin verkündet worden. Die Auszeichnung geht in diesem Jahr an die US-Amerikaner Victor Ambros und Gary Ruvkun, die damit für die Entdeckung der microRNA und ihrer Rolle bei der Genregulierung geehrt werden. Im vergangenen Jahr hatten den Physik-Preis der in Deutschland forschenden Ferenc Krausz, Pierre Agostini in den USA sowie die Französin Anne L'Huillier erhalten. Sie wurden für Experimente ausgezeichnet, die der Menschheit neue Instrumente zur Erforschung von Vorgängen in Atomen und Molekülen gaben. Die drei Forschenden hätten einen Weg aufgezeigt, extrem kurze Lichtpulse zu erzeugen, mit denen sich die schnellen Prozesse messen lassen, in denen sich Elektronen bewegen oder ihre Energie ändern, hieß es. Am Mittwoch werden die Träger des Chemie-Nobelpreises verkündet. Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben für den Literatur- und den Friedens-Nobelpreis. Der Reigen endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschafts-Nobelpreis. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.Hopfield-Netzwerk und Boltzmann-Maschine
Vorausberechnete Materialeigenschaften
Beide Preisträger forschten in zahlreichen Gebieten
Hochdotierte Auszeichnung
Messung ultraschneller Prozesse
Bildnachweis: © Steffen Trumpf/dpa
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Physik-Nobelpreis für Wegbereiter Künstlicher Intelligenz
Der Physik-Nobelpreis geht an Wegbereiter der heutigen KI-Landschaft. Für Chatbots wie ChatGPT schufen sie entscheidende Grundlagen. Ein Preisträger sieht in KI inzwischen allerdings große Risiken.
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