14. September 2023 / Aus aller Welt

Unwetter in Libyen: Katastrophe in einem maroden Staat

In Libyen waren schon vor dem Sturm «Daniel» Hunderttausende auf Hilfe angewiesen. Eine zentral zuständige Stelle zur Koordination dieser gibt es nicht. Die Katastrophe trifft ein gespaltenes Land.

Helfer suchen nach Überlebenden am Meer in Darna.
von Johannes Sadek, dpa

Ein seit Jahren anhaltender Bürgerkrieg, in dem bewaffnete Gruppen um Einfluss kämpfen. Zwei Regierungen, die um die Macht ringen. Lang verschleppte Infrastruktur-Maßnahmen, um etwa Dämme und Brücken zu erneuern.

Im nordafrikanischen Libyen herrschten schon vor den Überschwemmungen sehr schlechte Zustände, die Teile des Landes wie die Hafenstadt Darna beim Sturm «Daniel» besonders verwundbar gemacht haben. Nach Angaben der Verwaltung in Ost-Libyen kamen mehr als 5000 Menschen ums Leben - und die Zahl der Todesopfer könnte noch deutlich steigen. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wer kontrolliert Libyen?

In dem Wüstenstaat war nach dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Die Kämpfe haben zwar nachgelassen, aber es ringen immer noch politische, bewaffnete sowie Stammesgruppen um Einfluss.

Heute ist das Land faktisch zweigeteilt. An der Spitze der Regierung im Osten, wo der Sturm besonders großen Schaden angerichtet hat, sitzt Ministerpräsident Osama Hammad. Dieser wird aber international nicht als Regierungschef anerkannt. Zudem haben im Osten der General Chalifa Haftar und seine selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) großen Einfluss. In Tripolis im Westen sitzt Ministerpräsident Abdul Hamid Dbaiba. Auch ausländische Staaten wie die Türkei, Russland und Ägypten mischen in dem Konflikt mit.

Wie hat sich die Spaltung auf die Lage im Land ausgewirkt?

Schon vor dem Sturm waren in Libyen nach UN-Angaben rund 820.000 Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, darunter 24.000 Kinder. Weil das Land und seine staatlichen Institutionen gespalten sind, war die öffentliche Versorgung etwa bei Wasser, Sanitäranlagen und Elektrizität sowie bei Bildung und in der Gesundheitsversorgung sehr schlecht.

Investitionen in Infrastruktur wie Straßen und Brücken wurden über Jahre verschleppt - und das trotz eigentlich hoher Einnahmen aus dem Ölgeschäft. Dass es keinen Staatshaushalt gibt, habe Fortschritte bei der Grundversorgung «ernsthaft gestört», schrieb das UN-Nothilfebüro (OCHA) im Hilfsplan für 2022.

Was bedeutet diese Lage für die Opfer der Überschwemmungen?

Durch die Spaltung gibt es im nun eingetretenen Katastrophenfall keine zentral zuständige Stelle etwa zur Koordination der Hilfe. «Es gibt keine zentrale Verwaltung, um die Teams zu leiten, um Hilfe anzunehmen und um Freiwillige zu organisieren. Alles ist chaotisch und willkürlich», sagt der libysche Journalist Mohammed Gurdsch.

Es fehlt an präzisen Angaben zu Art und Ausmaß der Schäden und dazu, welche Hilfe die Opfer vor Ort benötigen. Für andere Staaten und internationale Hilfsorganisationen ist auch deshalb schwierig, passende Hilfsteams oder -material nach Libyen zu schicken.

Ist die Ost-Regierung überhaupt bereit, Hilfe anzunehmen?

Das ist schwer zu beurteilen. Sicher ist, dass der Osten unter strenger Kontrolle dortiger Sicherheitsdienste steht. So hätten zunächst auch nur Vertreter örtlicher Medien, die Haftar unterstützen, nach Darna reisen dürfen, sagt Mohammed Gurdsch. Journalisten von Medien, die eher gegen Haftar ausgerichtet sind, sei der Zugang verweigert worden.

Der im Osten mächtige Haftar und seine Libysche Nationalarmee (LNA) kontrollieren dort Häfen, Flughäfen und Straßen. Mit ihnen müssen eintreffende Teams und Hilfsgüter vermutlich auch abgesprochen werden.

Hilfsgüter sind in Libyen also auch eine politische Waffe?

So befürchtet es Wolfram Lacher, Libyen-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), im Interview mit dem ZDF-«Heute Journal». Die Konfliktparteien würden schon seit Jahren ein «sehr zynisches Spiel» spielen und «aus Krisen Profit schlagen», sagt Lacher. Das sei auch jetzt zu erwarten. Das Ausmaß der Katastrophe sei «sehr eng mit der politischen Situation in Libyen verknüpft».


Bildnachweis: © Yousef Murad/AP/dpa
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